7. April 2013

Schlecht geschlafen

Zweiter Tag des Frühlings, erstes Jahr

Während wir gestern noch Stolz auf unsere Leistungen waren und nach etwas mehr Wein unserem "Königreich" einen Namen gaben, schlugen wir bei der Namensgebung etwas über die Stränge und nannten es "The Crucification Kingdom". Doch heute waren alle etwas schlechter gelaunt. Wir können uns alle die Strohbetten noch so schön reden, die Realität holt uns doch schon nach einer Nacht ein. Ich hatte heute wieder sehr wenig zu tun, meine offizielle Aufgabe ist die Tierpflege, und bei gerade mal zwei Yaks, die brav in ihrem Gehege grasen, ist der Aufwand dafür natürlich lächerlich. Und zu tragen gibt es auch nicht viel, wir hatten gestern vereinbart, dass wir erst einmal mit den Klumpen aus Dreck oder Lehm leben können, und es wichtigere Aufgaben gibt. Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen und hielt mich die meiste Zeit im Lager auf, wo ich nicht nur zusehen konnte, wie erst Engle und Thina zwei improvisierte Werkbänke bauten, sondern auch noch, wie Phonab und Gilbert begannen, Bretter her zu stellen, die wir für die zukünftigen Werkbänke brauchten.

Auch unsere beiden Bergleute hatten zuerst nichts zu tun, und so schlug ich ihnen vor, an diversen Hügeln die Zugänge ab zu tragen, so dass dort niemand entlang kann. Die Bauern sammelten Setzlinge und die Holzfäller fällten anschliessend die Bäume oder halfen bei der Herstellung von Brettern, ja sie bauten sogar zwei Stühle. Als wir uns dann alle am Abend im Lager versammelten und ich den anderen meine Pläne für die Eingrenzung und Absicherung eines Bereiches für unser Reich unterbreitete, kam alles zusammen, das Verdrängen der latenten Bedrohung, die unverarbeitete Trauer über unsere Brüder und Schwestern, die in Hearthgrowl gestorben waren, die unangenehme Schlafgelegenheit und nicht zuletzt meine Untätigkeit, und das ich mich eh schon dafür schämte, machte es nicht einfacher.

Tillie machte den Anfang:
"Wir sollen oberirdisch und auf deine Anweisungen hin Mauern bauen und am Fuss der Berge die Wege entfernen, wie hast du sie genannt, diese 'Rampen'? Wer hat dich eigentlich zum Chef erklärt? Aber schon klar, Chef ist immer der, der den anderen beim Arbeiten zuguckt."
kommentierte sie laut und zynisch zugleich.
Ich fühlte mich in die Defensive gedrängt und wurde selbst ziemlich laut:
"Das ist nicht gerecht, ihr habt alle Talente, die ihr jetzt zum Aufbau einsetzen könnt, ich habe kaum etwas zu tun, aber ich hab dafür mein Gehirn zermartert, und ja, ich habe eines,..."
fügte ich schnell ein, als ich sah wie Thina mit gekräuselten Lippen zum sprechen ansetzte,
"... und das ist es, was ich für die Gemeinschaft tue. Ihr könnt natürlich einfach eine rechteckige Mauer bauen, wenn ihr denkt, dass ihr dafür Zeit habt, aber wenn wir es so machen, wie ich es vorschlage, können wir statt dessen ein ziemlich grosses Gebiet abstecken und haben immer noch Zeit für alles andere, und ohne die Furcht vor irgendwelchen Überraschungen im Nacken."
"Du warst doch in der Ausbildung zum Ingeneur in Hearthgrowl, richtig?"

fragte Fonab, offensichtlich nicht so erhitzt wie wir anderen.
"Ja, warum fragst du?"
"Ach, nichts, nur so."

Antwortete sie.
"Ein Vorschlag zur Güte;", intervenierte Eunut,
"Wir folgen deinem Plan wenn du, Ble und Theart mit helfen. Und ich will richtigen Einsatz sehen."
Ein Hoffnungsschimmer. Wenn Ble und Theart mit machen würden, würde nicht nur mein Projekt anlaufen, ich hätte endlich etwas Sinnvolles zu tun und wäre ausserdem wieder Teil eines Teams.
"Aber wenn wir das machen, dann können wir erst einmal nichts aussähen, und das kann sich schnell Rächen!", warf Theart ein. Meine Hoffnungen schwanden, und richtete mich schon auf eine weitere Verhandlungsrunde ein, als Ble, der sich bislang aus der ganzen Diskussion heraus gehalten hatte zum ersten mal heute Abend sprach:
"Ich sehe das so: Wenn wir nach Schema F vorgehen, müssen wir jetzt aussähen und Pflanzen, was das Zeug hält, aber wenn wir wirklich, wie Dacches sagt, eine ziemlich grosse Fläche gewinnen können, dann müssen wir uns auch erstmal nicht auf unsere eigene Landwirtschaft verlassen. Aber es muss sich wirklich lohnen. Dacches, kannst du das versprechen?"
Ich war erleichtert.
"Ja, das kann ich, wir bekommen ein vielfaches der üblichen Fläche."

Was für ein Narr ich doch war, so leichtfertig Versprechungen ab zu geben.

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